Was Google wirklich will by Schulz Thomas

Was Google wirklich will by Schulz Thomas

Autor:Schulz, Thomas [Schulz, Thomas]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Deutsche Verlags-Anstalt
veröffentlicht: 2015-10-17T16:00:00+00:00


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Suche: Die Vermessung der Welt und »ambitionierte Intelligenz«

Wer am Büro von Ben Gomes vorbeikommt, ahnt nicht, dass hier einer der einflussreichsten Denker des Konzerns arbeitet. Es ist ein schlichtes Standardzimmer wie viele andere im Googleplex: farbloser Teppich, praktische Schreibtische. Noch zwei weitere Informatiker sitzen mit im Raum. Gomes ist einer der ersten Mitarbeiter von Google, beteiligt an zwei der drei ersten Patente, Mitentwickler der Suchmaschine. Er überarbeitete und verbesserte in den Gründungsjahren des Unternehmens den von Brin und Page entwickelten Web-Index-Crawler. Sein Spitzname: Zar der Suche. Gomes verantwortet, was wir sehen, wenn wir googeln.

Die Suchmaschine ist Googles Ur-Moonshot. Denn damals, als das Web noch neu war, wer konnte da vorausahnen, wie sich Millionen und Abermillionen von Dokumenten und Webseiten durchkämmen ließen – und das in Sekundenbruchteilen? Google betrachtet dieses Ziel jedoch als längst noch nicht erreicht. Auch heute ist die Internetsuche Googles wichtigstes Forschungsgebiet und Gegenstand großer Pläne. Gomes nennt es »die dritte Phase«. Die erste Phase bestand darin, das Web zu organisieren und die Informationen zugänglich zu machen. In der zweiten Phase ging es um Sprache, in welcher Beziehung Wörter zueinander stehen, wie Synonyme funktionieren und wie Computer damit umgehen. Nun geht es um neue Maschinenintelligenz und »Roboter-Mensch-Interaktion«, um natürliche Unterhaltungen mit einem Computer und ein digitales Modell der ganzen Welt.

Beim täglichen Googeln übersehen wir oft, welch große Sprünge Gomes und seine zigtausend Mitarbeiter in vergleichsweise kurzer Zeit gemacht haben. »Als ich 1999 zu Google kam, ging es im Grunde darum, die Wörter aus der Suchanfrage in einem Dokument zu finden«, sagt Gomes. Heute bewältigt Google weit über 100 Milliarden Suchanfragen im Monat, erkennt Synonyme, vervollständigt eingegebene Wörter, Sätze und Fragen, korrigiert Grammatik, kombiniert Nachrichten, Bilder, Videos. Einst brauchte es sechs Wochen, bis ein neues Dokument im Internet von der Suchmaschine gefunden wurde. Heute dauert es meist weniger als eine Minute, bis neue Inhalte auf einer populären Webseite oder ein neuer Blogeintrag angezeigt werden.

Vieles, was die Suchmaschine leistet, erscheint uns längst selbstverständlich. Wie kompliziert kann es schon sein, ein falsch geschriebenes Wort zu erkennen und durch das richtige zu ersetzen? Eine begonnene Suchanfrage automatisch zu vervollständigen? »Sehr kompliziert«, sagt Gomes. Über manche dieser Fortschritte dachte Gomes jahrelang nach, hangelte sich von Eingebung zu Eingebung, von einem leicht verbesserten Algorithmus zum nächsten. Das sei die Grundstrategie, die Basis für alles, das Google-Naturell: »So lange dranbleiben, bis der große Sprung kommt.« Jedes Jahr werden im Schnitt 1000 Veränderungen an der Suchtechnologie vorgenommen.

Bei fast allen Projekten geht es letztlich darum, einem maschinellen System beizubringen, die Nuancen der menschlichen Kommunikation zu verstehen. In den Anfangsjahren taten sich die Ingenieure etwa lange schwer damit, die Suchmaschine zu lehren, die zahlreichen Doppelbedeutungen von Wörtern richtig einzuordnen: Dass »Hot Dog« zwar ein heißer Hund sein kann, in aller Regel aber ein Würstchen ist. Dass ein Hahn krähen kann oder Wasser liefert, eine Birne sowohl Obst als auch Lichtspender sein kann. Am Ende halfen Gomes und seinen Kollegen dabei auch die Theorien des österreichisch-britischen Philosophen Ludwig Wittgenstein, der sich ausführlich damit befasst hatte, wie Wörter immer durch ihren Kontext beeinflusst werden.



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